Mark Billige und Andreas von der Gathen, die CEOs der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners warnen vor der falschen Vorstellung, die Krise sei vorbei. Covid-19 ist laut Mark Billige ein wiederkehrendes Problem und kann die Wirtschaft zu jedem Zeitpunkt erneut beeinflussen. Bis ein Impfstoff entwickelt ist, können zudem bis zu zwei Jahre vergehen – eine lange Zeit für Unternehmen. Deshalb raten die CEOs, nicht an die Zeit nach Corona zu denken, sondern mit ihr zu überleben. Commercial Agility ist die Strategie, an die sich Firmen jetzt halten sollten.
Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen?
Unternehmen müssen zunächst verstehen, dass sie nicht zum Zeitpunkt von vor Corona zurückkehren können. Das hängt mit dem veränderten Nachfrageverhalten zusammen, das vor allem durch starke Schwankungen in der Nachfrage verursacht wird. Das beeinflusst auch das Angebot der Produkte und Dienstleistungen. „In einer Zeit, die von Social Distancing und anderen Einschränkungen geprägt ist, wird es für zahlreiche Unternehmen sehr viel schwieriger, ihre Angebote zu verkaufen, sie auszuliefern und die Sicherheit ihrer Kunden sowie das Kundenerlebnis effektiv zu steuern“, so Andreas von der Gathen.
Wo stehe ich als Unternehmen? – Die Crisis-Map
Die sogenannte „Crisis map“ stellt die Situation für Unternehmen dar. Dabei zeigt sie einerseits, ob die Nachfrage positiv oder negativ ist und andererseits, ob der Impact auf Unternehmen wegen der Corona-Krise hoch oder niedrig ist. Jede Branche und jeder Akteur lassen sich nach dieser Karte vier möglichen Situationen zuordnen:
- Florierend (Thriving)
- Überfordert (Overwhelmed)
- Unausgelastet (Overweight)
- Bedroht (Threatened)
Die Nachfrageveränderungen wirkt sich positiv aus:
Wer im Quadranten florierend positioniert ist, hat die Hauptaufgabe, in diesem Quadranten zu bleiben. Das kann gelingen, indem ein Unternehmen sich auf Monetarisierung und Nachfrageförderung konzentriert. Die Nachfrage kann beispielsweise durch gut durchdachtes Pricing angetrieben werden. Außerdem können neue Vertriebskanäle implementiert werden. Ein Beispiel für ein typisches Unternehmen in diesem Quadranten ist ein Streaming-Dienst. (Niedriger Impact, hohe Nachfrage)
Das zweite Szenario stellt überforderte Unternehmen dar. Sie haben Probleme, ihre Qualitäts- und Servicestandards auf einem hohen Niveau zu halten. Deshalb sollten sie großen Wert auf optimierte Ertrags- und Betriebsmodelle legen. Aber auch die Konzentration auf Digitalisierung ist wichtig. Vor diesen Aufgaben stehen beispielsweise Lebensmittelgeschäfte. (Hoher Impact, hohe Nachfrage)
Die Nachfrageveränderungen wirkt sich negativ aus:
Unausgelastete Unternehmen, so im Bereich der Seefracht oder Reisebüros, erfahren aktuell massive Einbrüche in der Nachfrage. Sie haben jedoch weniger Probleme, ihre Produkte und Dienstleistungen an Kunden zu vermitteln. Sie können auf bereits bewährte Krisenbewältigungsstrategien zurückgreifen. (Niedriger Impact, niedrige Nachfrage)
Bedrohte Firmen stehen vor einer sehr niedrigen Nachfrage, da ihre Dienstleistung den Kontakt mit Kunden notwendig macht. Digitalisierung ist nur begrenzt sinnvoll. Hierzu gehören Flugzeuglinien oder Fitnessstudios. Sie müssen unbedingt Wege finden, ihre Produkte und Dienstleistungen in irgendeiner Form an die Kunden zu vermitteln. (Hoher Impact, niedrige Nachfrage)
Mit Commercial Agility Covid-19 überleben
Die Position im Modell ist allerdings keineswegs in Stein gemeißelt. Ein Unternehmen kann in einen günstigeren Quadranten wechseln. Dazu muss die Commercial Agility jedoch klug sein. Commercial Agility bezeichnet laut Mark Billige „die Fähigkeit, schnell und flexibel immer und immer wieder belastbare Entscheidungen bezüglich Angebotsgestaltung, Vertrieb, Kostenmanagement und Preisgestaltung zu treffen. Und zwar, bis der Markt sich wieder einigermaßen beruhigt hat.“
Fünf Strategien im Sinne von Commercial Agility
- Agile Angebotsgestaltung: Unternehmen stehen vor der Herausforderung, auf veränderte Bedürfnisse und Kaufanlässe zu reagieren und ihr Produktangebot sowie die Vertriebskanäle anzupassen. Das ist möglich, indem ein Unternehmen eine Art „Minimalprodukt“ erstellt, welches laufend adaptiert wird und modular ausbaubar ist. Dienstleistungen und Produkte müssen unbedingt digitalisiert werden, wodurch wiederum die Fixkosten und Produktionskapazitäten sinken.
- Agiler Vertrieb: Digitalisierung in allen Bereichen lautet die Devise. Vor allem der Verkauf muss digital und über E-Commerce-Kanäle eingerichtet werden. Kundengespräche sollen digital genauso effizient geführt werden wie persönlich. Dazu müssen die Unternehmen die Digitalisierung schnell vorantreiben und auch ihre Mitarbeiter durch Trainings im Bereich Digitalisierung und digitaler Verkaufsstrategien unterstützen.
- Agiles Kostenmanagement: Commercial Agility kostet Geld und die Implementierung sowie Realisierung dauern eine gewisse Zeit. Die Unternehmen müssen deshalb einen Teil der Investitionskosten in der Wertschöpfungskette an den Kunden weitergeben. Das können sie durch die gut überlegte Erhöhung der Preise ihrer Produkte und Dienstleistungen erreichen.
- Agiles Pricing: Unternehmen sollten eine größere Agilität in der Festlegung von Preisen erreichen. Dazu gehört einerseits flexibles Pricing, um auf die schwankenden Veränderungen in der Nachfrage reagieren zu können. Andererseits ist es von Vorteil, Entscheidungen nicht mehr nur zentral zu fällen, sondern auch dezentral. Somit haben Projektteams die Möglichkeit, schneller zu agieren. was wiederum eine Echtzeit-Infrastruktur für das Bereitstellen von Preisrichtlinien und die Überwachung der Verkaufspreise erfordert
- Wirtschaftliche Belastbarkeit: Unternehmen müssen ein langfristiges System entwickeln, da die Corona-Krise auf unbestimmte Zeit zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen wird. Deshalb sind Marktanteile weniger wichtig als Profit und Cashflow. Wer die Möglichkeiten hat, sollte sich auf wiederkehrende Erlöse fokussieren. Das kann beispielsweise durch Abonnements geschehen. die Implementierung muss deshalb jetzt schlimmstenfalls erzwungen werden, auch wenn die Ausführung noch nicht optimal ist.
Chefredakteur des UnternehmerJournals, PR-Experte und Gesicht hinter den Content und Blog-Strategien von internationalen Konzernen und erfolgreichen Unternehmern aus ganz Deutschland.